150
Das siebenzehnte Jahrhundert.
gewesen als je. Aber Ferdinands religiöse Befangenheit stand einer großartigen
Politik im Wege. Sein Sieg sollte zugleich der Triumph des Katholicismus über
die ausgeschiedenen Confessionen sein, darum wurden in Böhmen und Obstreich
die Gewaltschritte gegen die Ketzer immer harter und nur schleunige Flucht mit
Verlust der Habe vermochte den standhaften Protestanten vor dem Besuche der
Messe zu retten. Aehnlich verfuhr Maximilian in der ihm vom Kaiser zuerst
als Lehn, dann erb- und eigenthümlich überwiesenen Oberpfalz, und selbst in
demtheil der Unterpfalz, der als Kostenersatz ihm einstweilen zugetheilt wor-
den, trieben die Jesuiten ihr Bekehrungswerk. Dem Norden drohte ein ähnliches
Verfahren, seitdem Wallenstcin durch kaiserliche Belehnung das Herzog-
thum Mecklenburg erhalten und dasselbe nun durch Eroberung der p om-
ni er sch en Ostküste zu erweitern trachtete. Das Beispiel des Herzogs von
Pommern, der sein Land den verheerenden Truppen des Friedlanders einrau-
men mußte und des dem Kaiser bisher treuergebenen Kurfürsten von Branden-
burg, in dessen Staaten ebenfalls kaiserliche Besatzung gelegt wurde, schreckte
alle protestantischen Fürsten. Und als nun gar Wallen stein Anstalten traf, an
dem baltischen Meer eine deutsche Seemacht zu gründen, um die Feinde des
Kaisers vom Ostseehandel auszuschließen, da geriethen nicht nur die Hanseaten
und alle Ostsee - Staaten, sondern auch die Niederländer und Engländer in die
größte Besorgniß.
§. 571. Das Restitutionsedikt und Wallensteins Ab-
setzung. In dieser Noth gab Stralsund ein erhebendes Beispiel von
Vaterlandsliebe und Heldenmuth. Standhaft weigerte sich die Bürgerschaft,
friedländische Besatzung in ihre Mauern aufzunehmen. Da rückte Wallen-
stein mit seinen furchtbaren Kriegsschaaren vor die Stadt und schwur, sie zu
erobern, wäre sie auch mit Ketten an den Himmel gebunden. Aber alle
Stürme scheiterten an der festen Lage und an dem Heldenmuth der Bürger-
schaft, die geschworen hatte, Gut und Blut hinzugeben für die Erhaltung
der Religion und der alten Rechte und Freiheiten. Von Dänemark und
Schweden unterstützt, trotzte Stralsund zehn Wochen lang allen Stürmen;
12,000 Menschen opferte der kaiserliche Feldherr umsonst. Das Beispiel
Stralsunds wirkte ermuthigend auf Magdeburg. Im März erließ der
1629^ Kasser auf Antrieb der geistlichen Kurfürsten und im Vertrauen auf die
errungene Uebermacht das Restitutionsedikt, kraft dessen alle seit dem
Passauer Vertrag (§. 494.) ungezogenen Stiftungen und geistlichen Güter
der katholischen Kirche zurückgestellt, die Calvinisten vom Religionsfrieden
ausgeschlossen und katholische Stande an der Bekehrung ihrer Unterthanen
nicht gehindert werden sollten. Dieses Edikt, das drei Erzbisthümer,
15 Bisthümer und fast alle norddeutschen Stifter und Abteien ihren derma-
ligen Besitzern zu entreißen drohte, verlängerte den unseligen Krieg, indem
es den Kaiser nöthigte, die Heere unter den Waffen zu halten, um der Voll-
streckung Nachdruck zu geben. Die Beschwerden der Stände blieben unbeach-
tet; wo die Katholischen die Oberhand hatten, nahmen sie Besitz von den
geistlichen Gütern; ein betäubender Schrecken erfaßte das protestantische
Deutschland. Da widersetzte sich Magdeburg, dessen Bürgerschaft einst
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Extrahierte Personennamen: Ferdinands Maximilian Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Herzog-
thum_Mecklenburg Pommern Stralsund Schweden Magdeburg Deutschland Magdeburg
4. Dccbr.
1642.
14. Mai
16415.
194 Das siebenzehnte Jahrhundert.
oder die den bestehenden Rechten zu nahe traten, in ihre Gesetzregister einzutragen, was
zur Folge hatte, daß die Unterbeamten in den Provinzen dieselben nicht vollzogen. Nur
wenn der König selbst den Sitzungen beiwohnte (lit de justice), mußte jede Widerrede
verstummen. Da die Beamtenstellen um hohe Summen gekauft wurden und gegen eine
jährliche Abgabe, Paulette, in den Familien erblich blieben, so hatten Alle gleiches
Interesse, daß die Rechte jedes Einzelnen sorgfältig geachtet wurden. Die Parlamente
theilten mit dem Königthum den Vorzug der Souveränetät.
Dieser Beamtenmacht trat Richelieu energisch entgegen. Die Parlamente
mußten Abbitte thun, wenn ihre Einwendungen ungeeignet oder vermessen schie-
nen; durch Einführung von Intendanten, die blos vom Minister abhingen,
schwachteer die Gewalt der Provinzialbeamten und durch Aufstellung außer-
ordentlicher Gerichtshöfe für politische Vergehungen minderte er den
Geschaftskreis der Parlamentsgerichte. „So machte Richelieu aus allen bösen
Bestrebungen und Thorheiten der Parteien in Frankreich, aus der Schwache des
deutschen Reichs und der Unfähigkeit Spaniens gleichsam ein Kapital, das er zu
den Zwecken der königlichen Unumschranktheit gebrauchte. Er war ein Absolutist
ganz nach Macchiavelli's Sinn, dessen persönliche Leidenschaften sich mit denen
für das Staatsinteresse verschinolzen, dem man seine grausame Harte verzieh,
weil er dem Staate nach Außen eine nie besessene Macht gab, dessen Bestrebun-
gen, weil sie dem Staate förderlich und in rücksichtsloser Consequenz verfolgt
wurden, von stets treuem Glück begleitet waren." — Auch als Gesetzgeber der
französischen Literatur trat Richelieu auf, indem er durch Gründung der aus 40
Mitgliedern bestehenden fra n z ö si sch e n A k a d em i e einen obersten Gerichtshof
des Geschmacks und der Sprache aufzustellen suchte. Aber im Gebiete der freien
Wissenschaft war sein despotischer Geist nicht zum Heile.
tz. 610. Mazarin und die Fronde. Im Jahr 1642 starb Ri ch e-
lieu, gehaßt und gefürchtet von König und Volk, aber bewundert von
Mit- und Nachwelt, die Geißel der Großen und der Unterdrücker aller Be-
vorrechteten. Ludwig Xiii., ein Fürst ohne große Tugenden und Laster,
abhängig von Jedem, der sich seine Gunst zu erwerben oder sich ihm furcht-
.bar zu machen wußte, folgte ihm bald nach. Sein letzter Wille übergab die
Regierung während seines Sohnes Minderjährigkeit einem Regentschafts-
rathe, worin die Königin Anna von Oestreich, eine Schwester Phi-
lipps Iv. von Spanien, nur eine untergeordnete Stelle einnahm, und der
Italiener Mazarin, der Erbe von Richelieu's Amt und Staatsgrundsätzen,
lenkendes Haupt war. Aber Anna war bisher die Stütze und Hoffnung des
Adels gewesen; von ihrer Hand erwartete er die verlorne Macht wieder, so
wie anderseits die Parlamente auch ihr gebrochenes Ansehen unter der weib-
lichen Regierung wieder fester zu begründen hofften. Beide waren daher
einer Verwaltung feind, die Richelieu's Grundsätze befolgen wollte, und es
gelang ohne Mühe einer Partei von Edelleuten, die man die Wichtigen
nannte, und an deren Spitze der junge Herzog von Beauford stand, das
Testament Ludwigs Xiii. bei dem Parlamente für nichtig erklären zu lassen
und die Regentschaft einzig den Händen der Königin anzuvertrauen. Anna
war jedoch nicht Willens, die Schranken der Königsmacht, die Richelieu
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Extrahierte Personennamen: Paulette Richelieu Richelieu Richelieu Ludwig_Xiii Ludwig Anna_von_Oestreich Italiener_Mazarin Anna Ludwigs
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Spaniens Spanien
1651.
1653.
1655.
7. Nov.
1659.
9. März
1661.
196 Das siebenzehnte Jahrhundert.
Zeit zu verlassen. Aber Mazarin besaß die unwandelbare Gunst der Königin,
obwohl er an Festigkeit des Charakters und an unbeugsamer Willenskraft weit
unter Richelieu stand und ihm nur glich an listigem und ränkevollem Geiste und
an falscher Gemüthsart. Jetzt beherrschte er von Köln aus Frankreich eben so wie
vorher in Paris und machte endlich Anstalten, mit bewaffneter Hand nach der
Hauptstadt zurückzukehren. Da setzte das Parlament einen Preis auf seinen Kopf
und der große Conde, von Neuem mit mißtrauischem Auge betrachtet und in sei-
ner Freiheit bedroht, schloß sich an die Fronde an und erhob die Fahne des Bür-
gerkriegs zu derselben Zeit als der junge Ludwig Xiv. die Jahre der königlichen
Mündigkeit erreicht hatte und man die Regierung in seinem Namen zu führen
ansing. Ein heftiger Kampf erhob sich. Conde, gegen die Feinde des Vaterlands
stets Sieger, mußte nach dem Treffen in der Vorstadt St. Antoine vor
den von Türenne geführten Truppen des Hofes nach dem Süden entweichen.
Sein Bund mit Spanien, das noch immer mit Frankreich im Krieg war, brachte
ihn vollends um alles Ansehen. Mazarin kehrte triumphirend zurück. An den
Thoren der Hauptstadt empfing ihn der König und der junge Adel.
Mazarins feierlicher Einzug in Paris war das Signal, daß die absolute
Königsmacht gesiegt habe und daß der Wille des Monarchen fürder als Ge-
setz gelte. Noch sechs Jahre genoß der Minister in Frankreich und Europa
eines Ansehens, wie es kaum Richelieu besessen, der Kardinal von Retz
mußte sein Vaterland meiden, nachdem er zuvor im Kerker von Vincennes
für sein unruhiges Treiben gebüßt; Conde mußte sich arm und unglücklich
bei den Spaniern herumtreiben, bis seines Herrn Gnade ihm die Rückkehr
und den Wiederbesitz seiner Güter gewährte; Mazarin's Nichten, Italiene-
rinnen ohne Stand und Namen, wurden mit den Reichthümern Frankreichs
ausgestattet und von den ersten Edelleuten, ja von einem Prinzen von Geblüt
(Conti) als Gemahlinnen gesucht, und die Mitglieder des Parlaments fügten
sich ohne Widerrede den höhern Weisungen, seitdem Ludwig in Stiefeln und
Reitpeitsche vor ihnen erschienen war und drohend Gehorsam verlangt hatte.
Nunmehr konnte Ludwigxiv. den Grundsatz geltend machen: „der Staat
bin ich" (l’état c’est moi). — Der Pyrenätsche Friede mit Spanien
war Mazarin's letztes Werk. Frankreich erhielt dadurch im Norden Artois
und mehrere Plätze in Flandern und Luxemburg, im Süden Perpignan und
Roussillon, Ludwig Xiv. aber die Hand der Infantin. Bald darauf starb
der Minister mit Hinterlassung eines unermeßlichen Vermögens und herr-
licher Paläste und Gärten. Sein Tod trat in dem Augenblick ein, wo Lud-
wig seiner überdrüssig zu werden ansing und sich sehnte, die Zügel der Herr-
schaft in die eigene starke Hand zu nehmen.
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xiv Ludwig Antoine Mazarins Vincennes Conti Ludwig Ludwig Ludwig_Xiv Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Paris Spanien Frankreich Paris Frankreich Europa Retz Frankreichs Spanien Frankreich Flandern Luxemburg Perpignan
Innere Zustande.
257
rakter, wenngleich von liebenswürdigem Wesen, erlangte nach Entsagung
aller Ansprüche auf Polens machtlose Krone die seiner Gemüthsart weit ent-
sprechendere Herrschaft über das Herzogthum Lothringen. Um Frankreichs
Beitritt zur pra g mati sch en S a n cti o n zu erlangen, willigte Karl Vi.
in die höchstnachtheiligen Friedensbedingungen, wornach Franz Stephan,
Herzog von Lothringen, des Kaisers Schwiegersohn, sein Erbland gegen das
durch das Erlöschen des Mediceischen Hauses erledigte Toskana ver- 1737-
tauschte, Lothringen und Bar dagegen an Stanislaus und nach dessen Tod
an Frankreich kam, und Neapel und Sicilien als Königreich dem
spanischen Prinzen Don Carlos (§. 638.) überlassen wurde.
Noch 29 Jahre regierte hierauf Stanislaus, der Gönner der Jesuiten, mit dem
Titel eines Königs in Lüneville und Nancy, geliebt und geehrt von seinen Unterthanen,
ein Wohlthäter der Armen, ein Beförderer der Künste und Wissenschaften, ein Verschö-
nerer der lothringischen Städte. Polen dagegen ging unter Friedrich August Iii. seiner
völligen Auflösung entgegen. Der sogenannte P acificationsreichstag erklärte
jeden für infam oder vogelsrei, der fremde (also auch sächsische) Heere ohne besondere Be-
willigung der Republik in's Königreich führen würde und verschärfte aus Besorgniß, der
König möchte für den Glauben seiner Jugend noch einige Neigung haben, die harten
Dissiden tengesetze. „Kaum sollte man überhaupt ein Regentenleben dieser Art, wie 1736.
König Augusts Iii. war, eine Regierung nennen; denn der regiert doch nicht, der blos
durch sein körperliches Dasein wirkt? Mißhclligkeiten der großen Familien arteten unter
ihm bis zu wahren Fehden aus. Die roheste Uncultur des Mittelalters herrschte unter dem
allgemeinen Haufen der Nation, und die Großen, deren einzige Cultur oft kaum nur aus
Reisen nach Frankreich entsprang, konnten selten Patriotismus oder wahren Charakter
haben, denn wie sollte Patriotismus oder kraftvoller Geistescharakter bei der Erziehung
entstehen, die sie gewöhnlich genossen; oder bei der eitlen, unthätigen, schwelgerischen
Lebensart sich erhalten, die unter den Edelsten ihrer Art fast allgemein herrschend war?"
Da der König und sein Minister Brühl sclavisch um Rußlands Gunst buhlten, so wurde
der Einfluß dieses drohenden Nachbarstaates immer mächtiger.
§. 653. 4) Preußen. Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst Kurfürst
von Brandenburg, gab seinen Staaten einen mächtigen Aufschwung, theils in-Wilhelm
dem er die getrennten, seit dem Anfänge des 17. Jahrhunderts dem kurfürstlichen 164°-88-
Hause zugefallenen Landestheile Preußen und Cleve (§. 563.) mit dem
Hauptland in nähere Verbindung brachte und zu einem zusammenwirkenden
Ganzen umschus, theils indem er Einwanderungen aus gebildeten Landern in die
durch den 30jährigen Krieg verödeten Provinzen begünstigte (französische Hugue-
notten) und der Gewerbthatigkeit und den Künsten des Friedens kräftig aufhals,
theils durch Bildung einer bedeutenden Kriegsmacht, womit er dem Lande
eine unabhängige, selbständige Stellung erkämpfte. Auf diesen einsichtsvollen,
kräftigen und besonnenen Fürsten folgte sein prachtliebender Sohn, Kurfürst
Friedrich Iii., dem der äußere Glanz, womit Ludwig Xiv. den Hof von Ver-F^rich
sailles umgeben, als der höchste Triumph irdischer Majestät erschien. Er setzte Ih- d-)
daher den größten Werth auf eine prunkvolle Hofhaltung; eine verschwenderische im-
Pracht in Kutschen, Marställen, Garderobe u. dgl., glänzende Feste und cere-
monielle Feierlichkeiten gingen ihm über alles. Mit Neid sah er aus die Kurfür-
sten von Hannover und Sachsen, denen das in seinen Augen unschätzbare
Gut einer Königskrone zu Theil geworden, und wie groß war seine Freude,
Weber, Geschichte. Ii. 6. Ausl. 17
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Extrahierte Personennamen: Karl_Vi Karl Franz_Stephan Franz Stanislaus Carlos_( Stanislaus Nancy Friedrich Friedrich August Augusts Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Iii Friedrich Ludwig_Xiv Ludwig Weber
Extrahierte Ortsnamen: Lothringen Frankreichs Lothringen Toskana Lothringen Frankreich Neapel Sicilien Lüneville Frankreich Brandenburg Sachsen
268
Erste Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts.
in den 70er und 80er Jahren wirkte wohlthatig auf Handel, Gewerbsamkeit
und Ackerbau; die regsamen, häuslichen und sparsamen Bewohner der Städte
und Dörfer gelangten wieder zu Glück, Wohlstand 'und Zufriedenheit. —
Hannover. Während dieser Friedenszeiten nahm auch in Hannover der materielle Wohl-
stand zu. Die Abhängigkeit von England gereichte dem Lande nicht zum Nach-
theil, indem die englischen Könige ihr deutsches Stammland stets mit einiger
Vorliebe behandelten und ihm von ihrem Ueberfluß manches zuwendeten. Die
unter Georg Ii. gegründete Universität Göttingen (1737) war eine weithin
strahlende Leuchte in Norddeutschland. — Für das Aufblühen der Kunst und
Literatur, für das Wachsthum der Bildung und Wistenschaft waren die deut-
schen Residenzstädte und die zahlreichen Fürstenhöfe, namentlich in der zweiten
Halste des 18. Jahrhunderts, höchst förderlich; wäre nur dieser hohe Bildungs-
grad und Literaturblüthe ein genügender Ersatz gewesen für die Verarmung des
Volks, für dieabnahme der Charakterstärke, der Thatkraft und der männlichen
Tugend und für den Untergang aller politischen Freiheit, alles öffentlichen Le-
bens, aller praktischen Volksthatigkeit.
:r. Der östreichische Erbfolgekrieg £4-50—494s.
1714.
1716.
1717.
21. Juli
1718.
§.657. Karls Vi. Türkenkrieg e. Kaiser Karl Vi. warein gut-
müthiger, aber in keiner Weise bedeutender Fürst, der die im Anfänge seiner
Regierung errungene Vergrößerung der östreichischenmonarchie in seinen spa-
tern Jahren durch nachtheilige Friedensschlüsse und Vertrage theilweise wieder
einbüßte. Kaum war der spanische Erbfolgekrieg zu Ende, so brach diepforte
den Carlowitzer Frieden (§. 620.) und entriß, im Einverständniß mit
den über den religiösen und materiellen Druck der venetianischen Herrschaft
empörten Griechen, jenem reichen und harten Handelsstaate den Peloponnes
(Morea) wieder. Oestreich, zur Gewährleistung jenes Friedens verpflichtet
und für seine eigenen Erwerbungen besorgt, schloß mit den Venetianern ein
Bündniß. Dies benutzten die durch das Waffenglück in Griechenland über-
müthigen Osmanen zur Kriegserklärung an Oestreich. Aber auch diesmal
behielten die kaiserlichen Heere die Oberhand. Eugens glänzende Siege bei
Peterwardein und Belgrad zwangen diepforte zu dem nachtheiligen
Frieden von Passarowitz, worin sie zwar im Besitz des eroberten Pe-
loponneses blieb, aber an Oestreich Temeswar, die Walachei bis zur
Aluta und Belgrad nebst einem beträchtlichen Stücke von Bosnien und
Servien abtreten mußte, so daß jetzt Nissa, Widdin, Nikopoli und Sophia
die Grenzfestungen des osmanischen Reichs gegen Ungarn bildeten.
Der Sultan überzeugte sich, daß das türkische Kriegswesen dem durch neue
Erfindungen stets verbesserten und ausgebildeten europäischen nicht mehr ge-
wachsen wäre und suchte mit Hülfe des tapfern, aus Frankreich und Oestreich
verwiesenen, in Konstantinopel zum Islam übergetretenen Abenteurers Bonne-
val (Achmet Pascha) Heerwesen und Artillerie nach europäischem Muster umzu-
gestalten. Aber diese Neuerung, verbunden mit einer Verkaufssteuer (Accis),
erzeugte einen gefährlichen Aufstand der Janitscharen, durch den die Abschaffung
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
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Extrahierte Personennamen: Georg_Ii Karls Karl_Vi Karl Oestreich Eugens Eugens Oestreich Sophia
Extrahierte Ortsnamen: Hannover Hannover England Norddeutschland Karls Griechenland Oestreich Belgrad Belgrad Bosnien Nikopoli Ungarn Frankreich Konstantinopel Bonne-
233
Das Zeitalter Ludwigs Xiv.
Schlacht von Malplaquet (unweit Doornik), wo 33,000 Leichen die
Wahlftatt deckten, verlor Frankreich mehr Leute als bei irgend einer frühern
Niederlage und würde den Frieden unter jeder Bedingung haben annehmen
müssen, hatte nicht das göttliche Strafgericht (Nemesis) nunmehr auch den
Uebermuth der Andern züchtigen wollen, auf daß der Mensch Mäßigung
lerne!
§. 636. Umschwung und Friedensschlüsse. Ein Streit der
stolzen herrschsüchtigen Gemahlin Marlborough's mit der Königin Anna und
eine daran geknüpfte Kabale hatte die Ausschließung der erstern vom Hofe
und die Verdrängung des dem Herzog und seiner Gemahlin ergebenen
Whig-Ministeriums durch die Tories zur Folge. Diese, den berühm-
ten Bolingbroke (St. John) und den Grafen von Oxford an der
Spitze, wünschte nunmehr die Beendigung des Kriegs, um dadurch das
Haupt der Gegenpartei, Marlborough, dem sie den Oberbefehl über
das Heer nicht ganz zu entziehen wagten, entbehrlich zu machen, und leiteten 171°-
deßhalb mit Frankreich geheime Unterhandlungen wegen eines Separatfrie-
dens ein. — Umsonst wendeten Eugen und die Holländer, die bisher so
standhaft die Anträge Frankreichs zurückgewiesen, alle Mittel an, um das
englische Ministerium von diesem Schritte abzuhalten; Unterhandlungen
begannen unv wurden um so schneller zum Ziele geführt, als im nächsten
Jahr der wackere Kaiser Joseph I. ohne männlichen Sprößling starb, mi-
und sein Bruder Karl, dem die spanische Monarchie bestimmt war, derf^Z^
Erbe seiner Kronen ward. Nunmehr konnte es nicht im Interesse der frem-
den Mächte liegen, den östreichischen Ländermassen auch noch die spanischen
beizufügen und dadurch abermals eine habsburgische Uebermacht in Europa zu
gründen. Der Abschluß einer Waffenruhe gab Marlborough's Feinden Ge-
legenheit zur Rache. Der siegreiche Held verlor alle seine Würden und wurde
vor dem Parlament des Unterschleifs angeklagt. Darauf vereinigten sich 1712-
England und Frankreich, dessen Uebermuth mit dem Glück wiedergekehrt
war, zu dem Utrechter Frieden, welchem bald auch die G en eralstaaten luapril
(Holland), Preußen, Savoyen und Portugal beitraten.
In Folge dieses Friedens verblieb Spanien und Indien (Amerika) dem
bourbonischen König Philipp V., mit der Bedingung, daß die spanische
und französische Krone nie vereinigt werden dürften; Holland erhielt außer einigen
Handels vortheilen das Besatzungsrecht in mehreren Festungen auf
der spanisch-niederländischen Grenze; Preußen das Oberquartier von Geldern,
die Souveranetat über Neufchatel und B a l e n g i n und die Bestätigung
seiner Königs würde; Savoyen außer einigen mailändischen Landschaften
die schöne Insel S i c i l i e n, die es aber sieben Jahre später gegen Sardinien
vertauschen mußte. Der Titel eines Königs von Sardinien, den fortan die
Herzoge von Piemont und Savoyen führen durften, war dafür ein geringer Er-
satz. England erlangte von Frankreich Neuschottland (Akadien), Neu-
fundland und die Hudsonsbai, nebst der Anerkennung seiner protestanti-
schen (hannöverischen) Thronfolge, von Spanien Gibraltar und Minorca
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Nemesis Anna Bolingbroke John) Marlborough Eugen Karl Karl Philipp_V. Philipp_V.
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Frankreich Frankreichs Europa England Frankreich Holland Portugal Spanien Indien Amerika Holland Sardinien England Frankreich Spanien
Das Zeitalter Ludwigs Xiv.
237
wohner und verjagten ihre bisherigen Gebieter. Nach einem langen wechselvollen i73o.
Kampfe, wahrend dessen es dem deutschen Abenteurer B a r o n T h e o d o r von 1736.
Neu Hof gelang, sich auf einige Zeit zum König von Corsika aufzuschwin-
gen, riefen endlich die Genuesin die Franzosen zu Hülse. Aber die Corsikaner
vertheidigten sich lange mit großer Tapferkeit, besonders seitdem Paoli an ihrer 1755.
Spitze stand, so daß die Franzosen nur mit der größten Mühe und Anstrengung
sich der Insel endlich bemächtigten, worauf Genua dieselbe vertragsweise an
Frankreich abtrat. Paoli und seine Genossen fanden Schutz in England. Wah- 1768.
rend des östreichischen Erbfolgekriegs (§. 660.) wurde Genua von kaiserlichen 1743.
Truppen eingenommen und sollte gezwungen werden, die Landschaft Finale an
Sardinien abzutreten. Allein die Genuesen erregten einen Aufstand und schlugen
die Oestreicher mit großer Tapferkeit zu ihren Mauern hinaus; und alle Anstren-
gungen der Feinde, die Stadt wieder zu erobern, waren vergeblich. Im Aache-
ner Frieden (§. 661.) erhielt die Republik ihr ganzes früheres Gebiet zurück.
— Mailand nebst Mantua blieben seit dem Frieden von Utrecht 1748-
(§. 636.) im Besitze Oestreichs.
li) Mittel-Italien. Die alte Republik Florenz wurde zuerst in ein
Heczogthum (§. 383.) und um 1569 in ein Großherzogthum Toskana
verwandelt und noch zwei Jahrhunderte von der M e d i cei sch en Familie nicht
ohne Ruhm verwaltet. Cosmo, ein kluger, unternehmender, aber treuloser
Fürst, erweiterte das Gebiet durch Erwerbung von Siena und andern Territo-
rien, und begründete die Unabhängigkeit des Herzogthums durch die schlaue Ent-
fernung der spanischen Besatzungen aus den bedeutendsten Städten seines Landes.
Hierauf überwand er die Fl0rentinisch en Emigranten, die, unter der
Leitung des entschlossenen St r 0 zzi und unterstützt von dem Papste und meh- iss4.
reren italienischen Fürsten, feindliche Angriffe auf Toskana machten, um den Flo-
rentinischen Freistaat wieder herzustellen, und richtete dann seine ganze Thatigkeit
auf Vernichtung der republikanischen Formen und der ständischen Freiheiten und
auf Begründung einer unumschränkten einherrlichen Gewalt. Dies geschah nicht
ohne große Strenge, List und Grausamkeit, „denn der Herzog war argwöhnisch
und die Florentiner sprachen gern von alten Zeiten. Wider Friedensstörer und
Rebellen wurde ein eigenes Jnquisitionsgericht angeordnet, zum Ermorden der
Rebellen durch Belohnungen ausgefördert. Bei Consiscation aller Güter und bei
Lebensstrafe sollte Niemand ein Gewehr tragen. Kaum verhinderte noch To-
re lli, daß nicht, der vermeinten religiösen und politischen Ruhe zu Ehren, aller
Buchhandel zu Grunde gerichtet wurde." Von diesem Cosmo sagten die Ausgewan-
derten,,, in ihrem schönen Tyrrhenerlande, wo sonst Gerechtigkeit und Ehre so viel
gegolten, erscheine jetzt der als der Beste, der sich am meisten mitblut befleckt und
die meisten Wittwen und Waisen gemacht habe." Als Cosmo durch solche Mit-
tel seine Herrschaft befestigt, war er bemüht, den Wohlstand des Volks durch
Beförderung des H andels und der Fabriken zu heben; auch die schönen
Künste fanden in ihm einen freigebigen Gönner. Mit Kaiser Augustus, dem man
den ersten Großherzog Cosmo mit Recht verglichen, hatte er auch in Familien-
unfallen eine traurige Aehnlichkeit; doch haben sich die Verbrechen, wodurch seine
Kinder fast sammtlich den Tod gefunden haben sollen, durch neuere Forschung als
Erdichtungen herausgestellt. Man erzählte einst: „Ein Herzog v. Ferrara vergif-
tete Lucrezia, Tochter des Großherzogs, seine Gemahlin; ein Fürst Orsini fand
Gründe, Isabella ihre Schwester zu erwürgen; der Cardinal Johann von Medici '
wurde über einer Iagdstreitigkeit von Garcia, seinem Bruder, ermordert; diesen
tödtete Cosimo, ihr beider Vater, eigenhändig;" (beide Brüder wurden das Opfer
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Corsika Augustus Augustus Lucrezia Isabella Cardinal_Johann_von_Medici Johann Garcia
Extrahierte Ortsnamen: Genua Frankreich England Sardinien Mailand Mantua Utrecht Siena Ferrara
288
Das Revolutions-Zeitalter.
1712-78*zu verbessern und zeitgemäß umzugeftalten, und I. I. Rousseau bekämpfte
die bestehenden Zustände durch die reizende Schilderung der Gegensätze, indem er
dem herrschenden Kirchenwesen eine Religion des Herzens entgegenstellte, das ab-
solute Königthum durch die Lehre vom Vertrage zwischen Volk und Regent er-
schütterte, die Rechts- und Vermögensungleichheit der Stände durch die Lehre
von der ursprünglichen Gleichheit aller Menschen zu brechen suchte und die Un-
natur der Sitten und die verwickelten Zustände der Geselligkeit und Convenienz
durch die Darstellung der Reize eines einfachen Naturzustandes untergrub. Die
heftigsten Feinde des Bestehenden erhoben sich in dem Holbachischen Club
und in den Encyklopä disten, die nur die Wahrnehmungen der fünf Sinne
für Wahrheit gelten ließen und die Eigenliebe als höchstes Grundgesetz des Han-
delns aufstellten.
Voltaire (vergl. §. 328). Unter allen Schriftstellern, die auf ihre Zeit tonangebend
gewirkt haben, hat keiner jemals einen größer» Einfluß geübt als Voltaire. Ausgewach-
sen in den höher» Kreisen der Gesellschaft, bei denen leichtfertiger und geistreicher Spott
zum Modeton gehörte, wählte der begabte Mann gleich bei seinem ersten literarischen Auf-
treten diejenige Gattung, die seiner witzigen, spottsüchtigen Natur am meisten zusagte und
von der er sich den größten Erfolg versprechen konnte — die satirische Dichtun g, zog
sich aber durch den dreisten Spott auf die Regierung Hast und Verfolgung zu, was ihn
bewog, sich, nachdem sein literarischer Ruf bereits gegründet war, auf einige Zeit nach
England zu begeben. Bei der damals zwischen England und Frankreich obwaltenden Aehn-
lichkeit der Bildung und Literatur, der Sitten und Religionsgrundsätze fand der witzige
Voltaire eine begeisterte Aufnahme, die er sehr gut bei der neuen Ausgabe seiner Henriade
(§. 629.) zu seinem Vvrtheile auszubeuten wußte. Die Erfahrungen, die er hier in den
höher» , von französischer Bildung durchdrungenen Kreisen machte und die Bekanntschaft
mit den deistischen Schriftstellern bestärkten ihn in seinen Ansichten und lieferten ihm neue
Mittel zur Bekämpfung verjährter Einrichtungen und Meinungen. Nach Frankreich zurück-
gekehrt machte er seine Landsleute in den englischen Briefen mit den literarischen und
religiösen Zuständen und namentlich mit der skeptischen Religionsphilosophie der Engländer
auf eine so dreiste, aber dabei so geistreiche und witzige Art bekannt, daß er sich von Seiten
der Regierung neue Verfolgungen zuzog, zugleich aber die Bewunderung der höhern Stände,
der Fürsten und Hofleute von ganz Europa erwarb. Nun nahm er seinen Aufenthalt auf
dem Landgute seiner Freundin, der Marquise von Chatelet in Lothringen, wo er mehrere
Jahre mit literarischen Arbeiten und sogar mit mathematischen und physikalischen Wissen-
1759. schgflen beschäftigt zubrachte. Als sein Ruhm den höchsten Gipfel erreicht hatte, folgte er
dem Rufe Friedrichs Ii. nach Berlin (§. 654.), entzweite sich aber bald mit demselben und
kehrte nach Frankreich zurück. Dann kaufte er sich an der Schweizer Grenze unweit Genf
das reizende Gut Fern ey, wo er in beneidenswerther Unabhängigkeit von dem großen
Vermögen lebte, das er sich durch seine Schriften erworben. —Voltaire legte seine Ansichten
in den verschiedenartigsten Arbeiten nieder; in Gedichten, Satiren und Romanen,
in geschichtlichen und philosophischen Arbeiten. Durch seine Briefe stand er mit
den gepriesensten Regenten Europa's, mit Staatsmännern, Feldherren und Gelehrten in
Verbindung und sein Urtheil galt allenthalben als maßgebend. Seine scharfe Feder richtete
sich gegen Alles, was die Welt bisher als heilig verehrt, als herkömmlich geachtet und als
gesetzlich befolgt hatte. Religion und Kirche, Priesterthum und Volksglaube erfuhren die
heftigsten Angriffe. Von der Henriade, worin ep Toleranz gegen Andersdenkende pries,
schritt er allmählich zu der komischen Erzählung der Jungfrau von Orleans fort, worin
er alles vereinigte, was der frechste Witz und der boshafteste Muthwille gegen Religion
und Sitte, gegen Personen und Sachen, die man sonst nur mit Ehrfurcht betrachtete,
Vorbringen kann. Was dem gesunden Menschenverstand nicht sogleich einleuchtct, wurde
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs
Extrahierte Ortsnamen: England England Frankreich Frankreich Europa Lothringen Friedrichs Berlin Frankreich
368
Die französische Revolution.
Sardi-
nien.
1796.
1798.
1802.
Lombas
dei.
Mai
1796.
V. Frankreich unter der Direktorial-Regierung
(26. Dct. 1793 bis 9. Rov. [18. Sstumaire] 1799).
§. 733. Napoleons italienische Feldzüge bis zum Frieden
von Campo Formt o. Victor Amadeus Iii., König von Sardinien,
hatte ein prunkendes Heerwesen eingerichtet und den zahlreichen Adel seines Lan-
des mit Ossizierstellcn versorgt (§. 638 b.); als aber die republikanischen Heere
der Franzosen in Sav oy en und N iz z a einrückten, erlagen seine Truppen den
Schlägen der begeisterten Schaaren. Der Regierungswechsel in Paris und die
Betrügereien der Lieferanten brachten jedoch bald schreckliches Elend über die
französische Armee in Italien. Die Soldaten litten an Allem Mangel; sie
hungerten und ihre Kleidung war im jämmerlichsten Zustande; seitdem der
Schrecken sie nicht mehr vorwärts trieb, schien ihre Kraft gewichen; — da er-
schien Napoleon Bonaparte als Obergeneral. Von der Natur mit ausgezeichne-
ten militärischen Gaben ausgerüstet, wußte er die muthlosen Truppen, bei denen
sich talentvolle Unterfeldherren und Offiziere befanden, bald so zu begeistern und
an sich zu fesieln, daß sie unter seiner Leitung jeder Gefahr trotzten und ihm von
Sieg zu Sieg folgten. Freilich waren dabei die reichen Schätze Italiens, deren
Napoleon nicht schonte, ein Hauptsporn zur Tapferkeit für arme und gierige
Soldaten.
Am 11. und 12. April schlug Napoleon bei Millesim o und den 13.
und 14. bei Montenotte den fast 80jährigen östreichischen Feldherrn
Beaulieu, trennte durch diese Siege die Oestreicher von den Sardiniern
und setzte den König Victor Amadeus durch einen raschen Zug gegen Turin
(nach dem siegreichen Treffen von Mondovi) so in Schrecken, daß dieser in
einen schimpflichen und nachtheiligen Frieden willigte, worin er Savoyen
und Nizza an die Republik abtrat, dem französischen Heerführer sechs Fe-
stungen seines Landes überließ, große Geldsummen bezahlte und die drückende
Verpflichtung einging, den französischen Heeren jederzeit den Durchzug durch
sein Land und während deffelben die nöthigen Lebensmittel zu gewähren und
an keinem Bunde gegen Frankreich Theil zu nehmen.
Durch diesen Frieden wurden die Franzosen die eigentlichen Gebieter von Piemont.
Fünf Monate nachher starb Victor Amadeus und überließ den Thron seinem frommen
aber schwachen Sohne Karl Em a n uel Iv. (1796—1802), einem Schwager des unglück-
lichen Ludwigs Xvi. Diesem trotzten die Sieger noch die Citadeue von Turin ab, als
Oestrcich und Neapel von Neuem Krieg drohten, und mißhandelten ihn so lange, bis er
der Regierung über Piemont entsagte und sich mit seiner Familie nach Sardinien begab.
Umsonst protestirte er feierlich gegen den ihm aufgelegten Zwang; die französische Regie-
rung nahm Besitz von seinem Lande, das zuletzt von Napoleon mit Frankreich vereinigt
und in sechs Departcmente gctheilt ward, als Karl Emanuel seinem Sohne Victor Ema-
nuel seine Rechte abgetreten und sich nach Rom begeben hatte.
Nach dem Frieden mit Piemont setzte Napoleon rasch seinen Siegeslauf
fort. Er erzwang den Uebergang über die Brücke von Lodi, zog mit
königlichem Glanz und unter dem Jubel des leichtsinnigen Volkes in das
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Victor_Amadeus Napoleon Napoleon Napoleon Victor_Amadeus Mondovi Victor_Amadeus Karl_Em Karl Ludwigs Napoleon Karl_Emanuel Karl Victor_Ema- Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Sardinien Paris Italien Italiens Nizza Frankreich Turin Neapel Sardinien Frankreich Rom
Frankreich unter der Direetorial-Regierung.
371
tz. 734. D ie Dire ctoria lregi erung im Jnne rn. Die Mitglieder
der beiden durch Doppelwahlen gebildeten gesetzgebenden Versammlungen des
Raths der Alten und des Raths der Fünfhund ert waren größtentheils ge-
mäßigte Republikaner; die von den Rathen aus ihrer Mitte gewählten fünf Di-
rectoren dagegen waren eifrige Republikaner, theils im Sinne der Girondisten,
wie La Reveillere-Lepeaux, theils Jakobiner, wie Carnot, Barras,
Reub el.
La Reveillere - Lepeaux war ein sehr achtungswürdiger Mann, aber ein fanatischer
Feind des Kirchenwesens und der Geistlichkeit, weil er eine Naturreligion an die Stelle des
Christenthums setzen wollte und zu dem Zwecke die Gesellschaft der Theo-P hilanthro-
pen (Gott- und Menschen-Freunde) gründete. Auch die Uebrigen, mit Ausnahme des
sittenlosen Schlemmers Barras, waren patriotische Männer, die mit größter Anstrengung
und Aufopferung ihr mühsames Amt verwalteten und trotz des Raubsystems, das in allen
Ländern von ihnen eingeführt wurde, in dürftigen Verhältnissen lebten; doch waren sie,
Carnot ausgenommen, in keiner Hinsicht bedeutend. Durch den Eifer, sich vermittelst eines
bunten, aus Scharlach und S ammt bestehenden Amtskleides Ansehn und Würde zu
geben, machten sie sich lächerlich.
Die Directorialregierung war übrigens sowohl den heftigen Republikanern
(Terroristen) als den Royalisten verhaßt und hatte von beiden Angriffe zu erlei-
den. Den ersten Versuch eines Umsturzes machten die Republikaner unter der
Führung des Gracchus Babeuf, der, ähnlich jenem römischen Volkstribun,
dessen Namen er angenommen, Ausgleichung des Eigenthums und eine neue
Gütervertheilung begründen wollte. Ihm schlossen sich einige der alten Jakobiner,
namentlich Drouet und Rossignol an. Ihr Unternehmen scheiterte an der
Wachsamkeit der Regierung; nach einem Aufsehen erregenden Gerichtsverfahren
ließ sich Babeuf den Dolch in die Brust stoßen, die Uebrigen wurden theils
hingerichtet, theils verbannt. Babeufs Andenken blieb bei seinen Meinungs-
genossen in Ehren und seine Grundsätze liegen noch jetzt den Bestrebungen der
Communisten und Socialisten zu Grunde. — Größer war die Gefahr, die der
ohnmächtigen Directorialregierung chon den Royalisten drohte, welche den
Club von Clichy gegründet hattew und unter den gesetzgebenden Räthen und
beim Directorium Meinungsgenossen zählten. Als nach Ablauf des ersten Jahres
laut der Verfassungsurkunde ein Drittel der Räthe ausschied und durch neue
Wahlen ergänzt wurde, gelang es den Royalisten, fast lauter Leute ihrer Farbe
in die gesetzgebende Versammlung zu bringen. Unter ihnen befand sich Piche-
grü, der schon früher als Oberfeldherr der Rheinarmee mit den Emigranten in
Verbindung gestanden und jetzt als Präsident des Raths der Fünf-
hundert die Zurückführung des Königthums zu bewirken suchte. Dies machte
die Republikaner im Directorium und in den gesetzgebenden Kammern besorgt.
Sie suchten zuerst durch den heldenmüthigen H o che die royalistische Bewegung
niederzuschlagen; als aber die Hitze des Generals und ihre eigene Unentschlossen-
heit den Plan vereitelte, wandten sie sich an Bonaparte. Dieser schickte eine
Abtheilung seines Heers unter dem klugen Bernadotte und dem Haudegen
Au g ere au nach Paris, angeblich um die eroberten Fahnen zu überbringen, in
der That aber, um den Directoren gegen die Royalisten zu dienen. Am ^.Fruc-
tidor umstellte Augereau mit seinen Truppen die Tuilerien und bemächtigte sich
der royalistischen Deputirten, worauf elf Glieder des Raths der Alten, 42 der
Fünfhundert (darunter P i ch e g rü und Willst) und zwei Directoren (B a r -
the lemy und der mit seinen schwachen Collegen zerfallene und von der Noth-
24*
Mai.
1796.
Juli.
1797.
i. Sept.
1797.
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
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